... Mein Bruder... mein Bruder... Oni-sama...
Wie Echo wiederholte sich das Wort mehrmals hintereinander in ihrem Kopf. Es verursachte ein Summen und ließ ihr Inneres vibrieren wie eine Instrumentsaite. Yuki konnte nichts anderes tun, außer ihm in die Augen zu starren. Kanames Augen erschienen ihr plötzlich wie die ihren. Sie sah die Spiegelung ihrer eigenen in seinen Pupillen. Rot. Vampirisch. Gespenstisch. Und doch von atemberaubender Schönheit.
Seine weichen, braunen Haare, mit sanften Wellen, die nur einen dunkleren Stich ins Maronfarbene besaßen, waren so ungekemmt und nachlässig wie ihre eigenen. Widerspenstige Strähnen kringelten sich auf seiner hohen Stirn. Seine aristokratischen Gesichtszüge waren markant, die hohen Wangenknochen und das spitze Kinn ebenmäßig sanft geschwungen – sie erkannte immer mehr Ähnlichkeit zwischen ihnen. Sie waren wahrlich Geschwister. Die Wahrheit sickerte tröpfchenweise in ihren Verstand, erreichte aber ihr Herz noch nicht. Das musste sie verhindern. Mehr Zeit hatte Yuki nicht, um die Erkenntnis zu verarbeiten. Das Blut begann mit einem Schlag in ihren Adern zu zirkulieren, als wäre jeder einzelne Blutkörper außer Rand und Band. Ihre Muskeln schienen sich auszudehnen und heftiger Schmerz fuhr wie ein heißer Strom durch ihre Glieder.
„AAAAh!!!“ Das Mädchen krümmte sich und schrieh auf. Kaname hielt sie eisern umklammert, damit sie nicht seinen Armen entglitt und von dem Fenstervorsprung der Kirche herabfiel. Dennoch entwickelte sie in ihrem Pein eine unglaubliche Kraft, was durch die neuerwachte Kraft ihres entsiegelten, reinen Blutes verstärkt wurde. Über sich hörte Kaname das Knarzen der hohen, farbigen Kirchenfenster. Sein feines Gehör vernahm den Laut von gesprungenem Glas. Yukis erwachende Kraft fraß ein Geäst aus winzigen Glassprüngen durch die Scheiben. Er musste sie wegbringen, sonst überkam sie erneut ein Regen aus Glas. Wobei die Gefahr sich schwer zu verletzen diesmal wesentlich geringer war. Duch ihr Erwachen würde sie ebenso die schnelle Selbstheilkraft eines Vampirs erlangen. Yuki stieß ein klägliches Wimmern aus und ihr ganzer Körper sich verkrampfte als erleide er einen epileptischen Anfall. Ihr Zähne schlugen knirschend aufeinander, während sie das Gefühl hatte, jede einzelne Zelle in ihr würde platzen. Ihr Körper schien zu schmelzen und sich Stück für Stück aufzulösen wie verdampfendes Wasser. Der Schmerz raubte ihr schier den Verstand und sie konnte nicht anders als hohe, schmerzverzerrte Laute auszustoßen. Sie rang nach Luft, denn von Sekunde zu Sekunde wurde ihre Kehle enger und enger. Es tat Kaname weh, ihr bei der Verwandlung zuzusehen, aber er konnte nichts tun, um ihre Pein zu lindern. Sie musste es alleine durchstehen. Trotz des Mitleides tat es ihm keineswegs leid, dass er eigentlich der Auslöser ihrer Schmerzen war.
Die Qual schien sich sogar noch zu steigern und erreichte einen höhreren Grad. Yuki war am Rande des Wahnsinns. Sie glaubte diesen Schmerz nicht mehr ertragen zu können und ihr benebelter Verstand suggerierte ihr den Tod. Sie konnte es spüren. Ihr Geist zerbrach in tauschend Einzelteile und damit verschwand auch ihr Ich. Ebenso verging ihre Seele, denn ein Vampir konnte keine besitzen.
Das war aber noch nicht das Ende.
Etwas bäumte sich tief aus der dunkelsten Ecke ihres Inneren auf und erhob sich als würde es gerade geboren werden. Ihr Bewusstsein war bereits abgedriftet, sodass sie kaum spürte, wie der Schmerz verebbte. Etwas monströses, völlig abnormales erwachte zum Leben und fraß den Teil in ihr gnadenlos auf, der vorher Yukis Dasein als Mensch bestimmt hatte. Alles menschliche verschwand lautlos, verschlungen von einer unsichtbaren Macht, die mühelos in ihr die Oberhand übernahm.
Kanames intensiver, unverwechselbarer Blutgeruch hatte bereits die Nightclass erreicht, ehe er selbst zurückkehrte. Die beiden Cousins Kain und Aido standen wie angewurzelt vor dem Haus Mond, als Kaname plötzlich aus den Nebelschwaden, die die Akademie umgaben, mit der ohnmächtigen Yuki auf den Armen auf sie zukam. Seine Last schien seiner Eleganz keinen Abbruch zu tun. Mit vollendeter Grazie schritt er lautlos auf die beiden Cousins zu und seine Augen, die immernoch rötlich schimmerten, hatten einen distanzierten Ausdruck. Ein kalter Windhauch wehte ihm die zerzausten Haare aus dem Gesicht. Nichts war darin zu lesen. Jeder Muskel war unter Kontrolle und hielt jegliche Emotion über das neue unerwartete Ereignis unter Verschluss. Umso offensichtlich fassungslos war Aido. Er traute seinen Augen kaum und versuchte Kanames unausgesprochende Nachricht zu verarbeiten. Yuki Kurosa, die trottelige, überkorrekte und Regel versessene Adoptivtochter des Schuldirektors, war ein Vampir? Noch dazu ein-
„Ist Yuki als Reinblüterin geboren worden?“, kam ihm Kain mit der Frage zuvor, ehe es aus Aido herausplatzte.
„Ja.“, war Kanames knappe Antwort, als er die beiden passierte.
„Sie ist Eure Schwester?“, murmelte Aido mit ungläubigen Augen. „Wie ist das möglich?“, Aido zuckte zusammen, als Kanames Blick ihn wie ein Hieb traf. Dieser Blick konnte alles bedeuten oder auch nichts. Wenn er sich zuviel herausgenommen hatte diese Frage zu stellen, dann...
„Die Kuran Familie hatten doch keine Tochter...“, fügte Kain unsicher hinzu und drückte aus, dass auch er nichts mehr verstand.
„Yuki ist die geliebte Tochter von Juuri und Haruka Kuran, die von den beiden verborgen gehalten wurde.“, erklärte Kaname zu seiner Überraschung und Aido stieß die Luft aus, die er angehalten hatte. Zu seiner Verlegenheit roch Kanames Blut, welches an seinem linken Handgelenkt klebte, auch noch ungemein verlockend. Er musste sich zwingen nicht die ganze Zeit gierig darauf zu starren. Sein Cousin schien sich hingegen unter Kontrolle zu haben. Der imposante Vampir von 1, 90 Meter Größe hatte die Hände in den Hosentaschen und ganz nach seiner lockeren Art trug er den maßgeschneiderten, blauen Schuluniformmantel offen. Angesichts der schockierenden Wahrheit über Kanames Verbindung zu Yuki und der offensichtlichen Gefahr, die auf dem Campus der Cross Akademie aufgetaucht war, fand Aido Kains Erscheinung viel zu lässig. Und sein Verhalten erst recht. Einzig seine gerunzelte Stirn und seine zusammengepressten Lippen signalisierten Aido, dass Kain schwer am Nachdenken war.
„Mehr noch, sie wurde geboren, um meine Frau zu sein.“, fuhr Kaname fort ohne die beiden weiter anzusehen. Irgendwie hatte Aido so etwas geahnt, aber als Kaname es ohne Wimpernzucken aussprach, war er dennoch sprachlos.
„Warum seid ihr so überrascht?“, fragte Kaname daraufhin und seine Augen glühten merklich röter auf, wurden lauernd. „Es ist nichts seltenes untereinander in der Familie zu heiraten.“
„Ah ja...“, gestand Aido ein und ihm fehlten die Worte. Die Tatsache, dass dieses Mädchen reinblütig war, wollte ihm nicht in dem Kopf. Und die Vorstellung, dass sie Kanames Gefährtin werden würde, war noch unfassbarer. Kain rettete seinen Cousin aus der Verlegenheit, indem er übergangslos eine andere wichtige Frage stellte:
„Hat es dieser Feind...“ Er sprach das Wort nachdrücklich aus. „der die ganze Cross Akademie zu einem gefährlichen Terrain macht, auf Eure Schwester abgesehen?“
Als Kaname keine Antwort gab, fuhr Kain mit entschlossener Stimme fort:
„Auch wenn wir nicht wissen, wer der Gegner ist, werden wir weiterhin auf der Hut sein.“
„Du... fragst nicht nach seinem Namen?“, entgegnete Kaname plötzlich mit dem Rücken zu ihnen gewandt. Kain tat, als hätte er ihn nicht gehört.
„Wir folgen Euch nämlich nicht nur aus dem Grund, Kaname-sama, weil Ihr ein Reinblüter seid.“
Kaname musste daraufhin unwillkürlich lächeln, achtete aber darauf, dass sie es nicht bemerkten. So eine Blöße konnte er sich in seiner Erhabenheit nicht leisten.
„Schaut so aus, als werde ich von euch beiden ziemlich verwöhnt...“ Trotz seiner ausdruckslosen Stimme, wusste die beiden, was er damit sagen wollte. Sie sahen sich an und jeder schwur innerlich, Kaname mit seinem Leben zu beschützen. Er brauchte sie mehr denn je als zuvor.
* * *
Nachdem er sie auf seinem Bett, dessen Größe einen Königs hätte vor Neid erblassen lassen, abgelegt hatte, entledigte Kaname sich seiner blutbesudelten Kleidung. Den schwarzen, langen Mantel hatte er achtlos von den Schultern fallen lassen. Er brauchte nicht einmal zu seinem massiven, antiken und mehrtürigen Kleiderschrank gehen und sich die Mühe machen, selbst etwas heraus zu suchen. Jemand hatte ihm bereits frische Kleidung, säuberlich gefaltet, auf das Bett gelegt. Er streifte die schwarze Hose über und zog das gestärkte weiße Hemd an, dessen unauffälliger, aber ungemein raffinierter Schnitt seine Figur betonte. Wer immer ihm den Dienst erwiesen hatte, wusste sehr genau, was ihm stand. Aber in diesem Moment kümmerte es ihn wenig.
Heiß... mir ist so heiß... Mein Körper steht ihn Flammen! Durst... ich habe Durst! Yuki schlug die Augen auf und blickte in Kanames besorgtes Gesicht. Seine große Hand strich ihr zärtlich über den Kopf und er beugte sich zu ihr herunter.
„Yuki...“ Ihre roten Augen blickten wild umher und suchten den Raum ab. Wo war sie? Sie richtete sich langsam auf ihre Knie auf. Ihr Hals war verklebt von geronnenem Blut und sie sah, dass ihr weißes Oberteil rot verfärbt war. Etwas kitzelte ihre bloßen Arme und stach in ihren Handrücken. Haarspitzen? Warum reichten ihr die Haare bis zur Hüfte? Sie spürte das ungewohnte Gewicht und schob den braunen Haarvorhang aus dem Gesicht, um besser sehen zu können.
„Es ist in Ordnung. Ich weiß, was du willst.“, sagte Kaname, aber sie sah ihn nur verständnislos an. Plötzlich vernahm sie seinen Puls, laut wie das Ticken einer Wanduhr als erklinge es direkt in ihren eigenen Ohren. Sein Blut... Ihre Augen weiteten sich und sie starrte auf seinen Hals.
„Kaname-senpai... ich bin...“, hauchte sie und streckte automatisch die Hand nach ihm aus, obwohl ihr in diesem Moment noch nicht genau bewusst war, wonach es sie verlangte. Ihr Finger berührte sein Kinn und sie kroch näher. Ihr Gesicht glich mehr dem eines hungrigen Tieres, als dem eines Menschen. Genau genommen war sie das auch nicht mehr.
„Du brauchst dich nicht zurückhalten.“, ermunterte er sie und umschloss sie mit seinen Armen, während er sich von ihr rücklings grob auf das Bett drücken ließ. Ihre schmalen Hände krallten sich in sein Hemd, während sie sanft an seiner Halsschlagader leckte. Da spürte sie das Pochen und wusste instinktiv, dass es der Brunnen zu der Köstlichkeit war, welche ihren Durst löschen konnte.
„Yuki... entschuldige.“, murmelte er, während sie seinen herben Duft einatmete. „Ich habe dich zu diesem blutigen Fluch zurückgebracht.“ Er entschuldigte sich, aber es tat ihm keineswegs leid, wenn er ehrlich zu sich selbst war. Jetzt gehörte sie wahrlich ihm. Yuki hörte ihn nicht. Das Verlangen nach seinem Blut war übermächtig. Sie lechzte geradezu danach.
Ich will es... Ich will nur das Blut dieses Mannes. Ohne Nachdenken biss sie zu und trank in tiefen, gierigen Schlücken.
„Ah... ja, so ist es gut... mein Schatz.“ Kaname erschauerte mehr vor Lust als vor Schmerz, als er spürte wie ihre frischen, scharfen Reißzähne sich in seine Haut bohrte. Seine Hand hörte nicht auf über ihren Kopf zu streicheln, während sie trank. Er genoss es, dass sie ihm so nahe war und nichts dagegen tun konnte. Es lag in ihrer Natur sein Blut zu wollen und damit wollte sie auch ihn. Sie brauchte ihn. Er würde sie niemals verlassen.
Je mehr sie trank, desto mehr unbekannte Bilder tauchten in ihrem Kopf auf. Waren das ihre Erinnerungen? Rießige Reißzähne blitzten auf und ließen Yuki erschauern. Abrupt ließ sie von Kaname ab und starrte ihn sekundenlang mit leeren Augen an.
„Weine nicht, mein Schatz. Was ist los?“ Dicke Tränen tropften auf sein Gesicht und er sah sie fragend an. „Hast du genug? Ist etwas seltsames?“
„Ja...“, stieß sie aus und zeigte dabei ihre blutverschmierten Fangzähne. Ein hellrotes, dünnes Rinnsal lief aus ihrem Mundwinkel ihren Hals hinab. „Etwas sehr furchtbares!“ Kanames fuhr mit der Zungenspitze die Blutspur nach und drückte sie fester an sich. Sie wich zurück und schlag die Arme um sich selbst, als wolle sie sich schützen.
„Ich bin nicht mehr menschlich...“ Das Wort klang fremd in ihren eigenen Ohren. Sie sprach jetzt mehr zu sich selbst, als wäre er gar nicht anwesend. „Ich erinnere mich an die Nacht, als Mutter sich für mich opferte. Sie beschwörte mit ihrer letzten verbliebenen Kraft einen Bann auf mich. Es tat weh. Und Vater versuchte mich zu retten... er stieg hinaus zur Erde und kämpfte gegen einen bösen Mann. Eine Bestie. Wo warst du gewesen, Oni-sama?“ Ihre vertraute Anrede erweckte eine langersehnte Wärme in seinem Inneren und er streckte wieder die Arme nach ihr aus. Sie lehnte sich widerstandslos gegen seine breite Brust und krallte dabei ihre Hände ins eigene Haar.
„Die beiden waren so stark... aber jetzt sind sie nicht mehr...“, schluchzte sie und presste die Augen zusammen. Sie wünschte sich aus diesem Albtraum zu erwachen und der Verwirrung in ihrem Kopf zu entkommen. Sie konnte nicht mehr klar denken, alles war nur noch ein reines Chaos.
„Yuki, beruhige dich.“, sagte er mit der Wange an ihren Kopf gelehnt und drückte sie enger an sich.
„Warum mussten sie das tun? Um etwas von mir abzuhalten?“, fuhr sie mit kläglich verzerrter Stimme fort und verkroch sich tiefer in seiner Umarmung. Sie hatte vergessen, dass er sie verletzt hatte. Jetzt war er ihr einziger Halt in diesem Strudel aus Angst und Chaos und sie klammerte sich freiwillig an ihn, wie eine Ertrinkende an einem Ast im weiten, uferlosen Meer.
„Nicht... hör auf.“, befahl er sanft und streichelte über ihren Rücken. „Hör auf darüber nachzudenken. Das ist jetzt nicht wichtig. Du bist so, wie du geboren wurdest. Ich habe dich wieder, mein Schatz. Darauf habe ich zehn Jahre lang ungeduldig gewartet.“
Sie begann zu zittern und plötzlich explodierte am Fenster die Wand. Risse zogen sich durch den Stein und Yuki hob panisch den Kopf.
„Wa-was?“
Weiter kam sie nicht, denn Kaname umfasste nachdrücklich ihr Kinn und presste seine kalten Lippen auf die ihren. Sie war nicht in der Verfassung, um sich zu wehren und viel wichtiger, sie war nicht mehr die frühere Yuki, dass sie sich gewehrt hätte. Dennoch rührte sich etwas Unwilliges in ihrem Inneren gegen seinen Kuss, aber sie konnte nicht deutlich erkennen, was es war. Deshalb ließ sie es zu, dass er sanft seine Zunge in ihren Mund schob, sie erforschte und zärtlich umschmeichelte. Seine Hände strichen ihre Kurven nach, über ihren Rücken, ihre Taille, die Hüfte, schlüften unter ihre Kleidung und massierten ihre verkrampften Muskeln. Es tat unendlich gut. Sie ließ sich mit ihm auf die weichen Laken fallen und genoss seine Berührung. Kaname bemerkte ihre Willigkeit mit Genugtun und kam zu dem Schluss, dass sie sich zu ihrer wahren Natur bekannte. Sie hatte ihn gewählt, ohne Zweifel. Sie musste diesen Hunter vergessen haben. Das ging leichter, als er gedacht hatte. Yuki seufzte auf unter den sanften Liebkosungen seiner großen Hände und bog sich ihm entgegen. Er verdrängte das Chaos in ihrem Kopf. Die Angst und Panik löste sich Stück für Stück auf wie schmelzendes Eis unter warmen Sonnenstrahlen. Aber der unwillige Funke ihn ihr glomm weiter und weiter auf und instinktiv wuchs in ihr das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte.
„Kaname...“, murmelte sie leicht alarmiert, stockte aber, als er ihre Brust liebkoste. Seine Zungenspitze verursachte lustvolle Wellen, während sie gleichzeitig den starken Griff seiner Hände spürte. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass er ihr die Oberkleidung bereits ausgezogen hatte und sie entblößt vor ihm lag. Heiße Scham überkam sie plötzlich und sie krümmte sich seitlich zusammen, die Arme über die Brust verschränkt, um sich zu bedecken.
„Bitte nicht...“, hauchte sie, während er sie mit leichtem Amüsement betrachtete.
„Warum denn?“, fragte er mit einem leicht neckenden Unterton. „Ist es nicht natürlich für einen Mann seine Frau zu begehren?“ Er strich ihr das wirre Haar aus dem Gesicht. Die restlichen dicken Strähnen umflossen ihren weißen, schmalen Körper wie glänzende Seide.
„Du bist wunderschön.“, murmelte er und knapperte an ihrem Ohr. Er leckte an ihrem Hals und entlockte ihr ein weiteres Erschauern. Sie konnte nichts dagegen machen, er weckte ein Verlangen in ihr. War es das erste Mal? Oder war ihr seine Nähe vertraut? Sie war völlig verwirrt. Da war etwas, was sie vergessen hatte. Etwas unglaublich wichtiges... Was war es bloß gewesen? Sie versuchte sich zu erinnern, aber Kaname Nähe verstreute jeden klaren Gedanken. Er nahm ihre Hände und führte sie zu seinem attraktiven Körper, forderte sie wortlos auf, ihn zu berühren. Sie kam der Bitte nach und strich mit den Fingern die Erhebungen seiner Muskeln entlang. Bauchnabel, Brust, Hals, er war perfekt wie eine Marmorstatue. Zu schön, um ein Mensch zu sein. Schön wie ein Gott, aber dennoch eine blutdürstende Bestie. Ein...
Vampir! Das war es gewesen, was sie kürzlich vergessen hatte. Ehe Yuki den Gedanken ergreifen und festhalten konnte, entglitt er ihr wieder. Da war noch mehr, woran sie sich erinnern musste! Jemand... wartete auf sie...?
Unbewusst streifte sie ihm das Hemd ab, um ihn vollkommen unbedeckt betrachten zu können. Seine Haut war makellos und dennoch konnte sie seine verborgene Kraft hinter diesem Körper spüren.
„Ah...“ Sein überraschtes Aufkeuchen ließ sie plötzlich wieder zu sich kommen. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie in ihrer Faszination wie in Trance ihre langen Fingernägel, die Krallen glichen, in seine Haut geschlagen hatte. Drei blutige dünne Striemen waren nun auf seiner weißen Brust zu sehen und verwundert starrte Yuki ihre eigenen blutverschmierten Finger der rechten Hand an. Ihr Nägel hatten sich spitz verformt und waren rassierklingenscharf. Wie war das passiert?
„Ich wollte es für den Anfang sanfter angehen lassen.“, hauchte er jetzt mit einem unterdrückten Kichern und kam mit einem Lächeln näher. Er küsste sie tief und leidenschaftlich, während seine Hand in ihr volles Haare griff.
Ich komme zurück, ich verspreche es..., kam ihr plötzlich in den Sinn. Waren das ihre eigenen Worte gewesen? Zu wem hatte sie es gesagt? Hitzewellen überkamen sie und wieder entflohen ihr die Gedanken. Ehe sie sich versah, hatte Kaname ihr bereits die restliche störende Kleidung entfernt und schob ihre Beine auseinander. Sie sah zu ihm auf und war von seiner Schönheit abermals wie gebannt. Seine glatte Haut glänzte im Mondlicht und fühlte sich an wie Seide. Nein, weicher als alles, was sie bisher je berührt hatte. Die blutigen Kratzer auf seiner Brust zogen sie magisch an und ohne nach zu denken, leckte sie das Blut ab. Anschließend küsste sie mit geschlossenen Augen seinen Hals hinauf, bis ihre Lippen sich wieder fanden. Seine Augen hatten einen fiebernden Glanz angenommen und sein Griff wurde stärker, ließ sie aufkeuchen angesichts der enormen Kraft, die ihre Lust anstachelte. Sie schlug die Augen auf, als seine linke Hand nach unten wanderte und zwischen ihre Beine glitt.
„Ah...“ Unbeschreibliche Empfindungen jagten durch ihren Körper, als sie seinen Finger in sich spürte. Sie war schon bereit für ihn. Aber irgendwie fühlte sie sich unvollständig, als wäre sie nicht vollkommen sie selbst. Instinktiv wusste sie genau, dass sie nie wieder sie selbst sein würde.
Jemand... wartet..., dachte sie, ehe eine plötzliche Panik sie erfasste, als Kaname übermächtig groß über ihr war. Nein... Sie begann sich zu sträuben ohne genau zu wissen, warum und veranlasste ihn dazu sie grob niederzudrücken. Alarmiert und mit einem Anflug von Zorn sah er sie mit finsteren Augen. Es durfte nicht sein, dass sie ihn jetz abwies. Das konnte er nicht zulassen. Aber er sah den Widerstand in ihren Augen aufglimmen und immer größer werden. Ihr Körper spannte sich an und ihre scharfen Fingernägel krallten sich in seine Oberarme. Er hatte nicht erwartet, dass sie bereits so stark war. Es kostete ihn Mühe sie niederzudrücken.
„Yuki, wehr dich nicht.“, befahl er mit scheinbar ruhiger Stimme, aber dahinter spürte sie seine wachsende Wut brodeln.
„Ich bin es, den du liebst.“, fuhr er eindringlich fort. „Und ich liebe dich über alles auf der Welt. Sieh mich an!“
Sie schrieh erschrocken auf, als sie ihn plötzlich in sich spürte. Es tat nicht weh, aber die lustvolle Empfindung traf sie wie ein Schlag, nahm ihr den Atem. Ihre scharfen Fingernägel krallten sich in seinen Rücken, doch er schien es nicht zu spüren. Er gab sich völlig seinem Verlangen hin und stieß tiefer zu. Die Leidenschaft nahm gegen ihren Willen in ihr Überhand und sie stöhnte auf. Ihr Körper fühlte sich an, als würde er entzweih gerissen. Ihre Lippen fanden sich und verschlangen einander. Mehr, mehr... mehr, dachte Yuki unwillkürlich und war nicht mehr sie selbst. Sie wusste noch nicht einmal, wer sie geworden war. In diesem Moment war alles zweitrangig. Sie konnte nur Kaname spüren. Plötzlich ergriff er ihre dünnen Handgelenke und hielt sie über ihren Kopf fest. Ihr Körper spannte sich als Reaktion darauf noch mehr wie ein Bogen und sie sträubte sich, um sich zu befreien. Gleichgleichtig wünschte sie sich aber auch, dass er sie weiterhin so kraftvoll hielt. Er vergrub sein Gesicht an ihrer Schulter und biss leicht zu. Sie bäumte sich noch mehr auf und wand sich, als er schneller wurde.
„Ah-ah - ah...“
Plötzlich wusste sie, was sie vergessen hatte! WEN sie vergessen hatte! Ein Funke von Nüchternheit blitzte in ihr auf und kämpfte gegen die Lust an. Das erlaubte ihr Luft zum Atmen unter Kanames leidenschaftlicher Umarmung. Eine pansiche Stimme schrieh in ihr auf:
Wie konnte ich dich vergessen? ZERO!